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Mount Kimbie - "The Sunset Violent". Ein Auto im Straßengraben am Rande eines Feldes.

Musikalisches Erblühen in der Wüste

"The Sunset Violent" - Mount Kimbies Wiedergeburt im Post Punk

Stand: 16.04.2024, 16:50 Uhr

Wer Mount Kimbie mit britischen Clubsounds verbindet, den erwartet auf "The Sunset Violent" eine dicke Überraschung. Für dieses Album zog es die Londoner Band in die kalifornische Wüste. Da, wo eigentlich nichts ist außer dem wuchtigen Sonnenuntergang erleben Mount Kimbie eine musikalische Wiedergeburt im Post Punk.

Von Elena Tara Bavandpoori

Zu ihrer Gründung waren sie noch ein Duo. Rund fünfzehn Jahre später ist die Londoner Band Mount Kimbie vierköpfig. Auch sonst ist nichts wie vorher. Der Sound ist weit weniger elektronisch, dafür jetzt sehr gitarrenlastig. Gründungsmitglied Kai Campos erklärt, was ihn zu diesem Wandel gebracht hat:

"Ich habe mich zur Gitarre hingezogen gefühlt, weil sie mir als Werkzeug zum Songschreiben irgendwie fremd war. Ich hatte das Vergnügen, mir selbst beizubringen, mich dabei wohlzufühlen, eine Gitarre zu halten." Kai Campos

Post Punk im Sonnenuntergang

Der neue Sound lehnt sich an ihre alten Idole des Post Punk wie Joy Division, The Fall oder Gang of Four, bleibt dabei aber weniger schwermütig, sondern entspannt und flowy. Nicht das graue, urbane England vergangener Post-Punk-Tage, sondern die grelle, brache Landschaft der Wüste rund um das Yucca Valley schien auf die Band abzufärben. Dorthin verkrochen sich Kai Campos und das andere Mount-Kimbie-Gründungsmitglied Dom Maker für den Albumprozess. Ihnen zufolge ist dort kaum etwas los – trotzdem ist das Album lebhaft gerade durch Mount-Kimbie-Zuwachs Andrea Balency-Béarn. Die Sängerin bringt in einige Songs einen sehr schönen Dialog im Wechselspiel mit dem Gesang von Maker. In "Shipwreck" geht singen sie passenderweise davon, ob man jemanden an seiner Seite braucht. Die weibliche Stimme ist hier nicht einfach nettes Add-On, sondern das Highlight.

Windschief & Weite

Der finale Song "Empty and Silent", zusammen mit Indie-Kollege King Krule, repräsentiert das Album besonders gut: Mount Kimbie wollten eine Synthesizer-Sequenz benutzen, wussten aber nicht, wie sie diese loopen sollen und dabei gleichzeitig im Takt bleiben. Also haben sie den Loop einfach leicht windschief gelassen. Zusammen mit der Gitarre und King Krules Sprechgesang klingt das dennoch stimmig und entwickelt eine atmosphärische Weite, genauso wie die Songs "Dumb Guitar" oder 2A Figure in the Surf".

Surrealismus und Skatertricks

Die Texte des Albums sind kreativ, nachdenklich und verspielt. Charaktere bekommen ihre eigenen kleinen Geschichten. Im Song "Fishbrain" schrumpfen Menschenköpfe zu Fischgehirnen, weil sie zu lange aufs Handy glotzen um Skatertricks wie besagten "Fishbrain" anzuschauen. Songwriter Dom Maker hat viel Inspiration aus dem fiktionalen Schreiben gezogen:

"Nichts davon ist für mich sehr ernst. Ich glaube, mir hat beim Schreiben Spaß gemacht, solche kleinen fiktiven Szenarien wie aus dem Surrealismus zu erschaffen." Dom Maker

Auf dem Album schaut er zurück: auf geplatzte Träume, falsche Entscheidungen oder kaputte Beziehungen – aber eben alles mit einem leichten Augenzwinkern. Mount Kimbie erschaffen sich auf "The Sunset Violent" neu und entrümpeln ihre Vergangenheit, sowohl mit neuem Sound, als auch mit neuem Storytelling.